Sobald eine Immobilie im Nachlass vorhanden ist, gibt es einige rechtliche Aspekte zu beachten. So muss beispielsweise eine fachkundige Bewertung und Wertermittlung der Immobilie erfolgen. Kommt es zu Streitigkeiten zwischen den Erben und Pflichtteilsberechtigten, ist ein Anwalt unerlässlich.
Wer gehört zu den Pflichtteilsberechtigten?
Geht es darum, den Pflichtteil für eine Immobilie wie ein Haus oder eine Wohnung im Nachlass zu berücksichtigen, muss zunächst geklärt werden, wer überhaupt pflichtteilsberechtigt ist. In erster Linie sind das die enterbten Kinder des Verstorbenen.
Sie sind immer als gesetzliche Erben anzusehen. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um adoptierte, eheliche oder uneheliche Kinder des Erblassers handelt. Außerdem werden die Ehepartner oder gleichgeschlechtliche Lebenspartner, sofern eine eingetragene Lebenspartnerschaft bestand, bei der Pflichtteilsberechnung berücksichtigt.
Für den Fall, dass die Kinder nicht mehr leben und Enkel vorhanden sind, rücken diese in der Erbfolge nach. Allerdings können sie, genau wie Urenkel, ihre Pflichtteilsansprüche nur dann geltend machen, wenn sie gesetzliche Erben wären.
In § 2303 BGB, Absatz 2 werden auch die Eltern des Erblassers berücksichtigt. Von der gesetzlichen Erbfolge betrachtet sind sie jedoch nur dann erbberechtigt bzw. ggf. pflichtteilsberechtigt, wenn keine Erben der 1. Ordnung mehr am Leben sind.
So wird die Immobilie bewertet
Neben der Klärung, wer als pflichtteilsberechtigte Person infrage kommt, muss geklärt werden, welchen Wert der Nachlass hat. Ohne die Wertermittlung kann der Anspruch auf den Pflichtteil nicht beziffert werden. Besonders wichtig ist die Wertermittlung von vorhandenen Immobilien. Bei diesem Punkt kommt es nicht selten zu Problemen und Streitigkeiten zwischen den Erben und Pflichtteilsberechtigten. Der Grund hierfür sind unterschiedliche Ansichten über den Wert der Immobilie und somit über die Höhe des Pflichtteils.
Richtwerte einholen über Internetportale
Für einen Laien ist es generell sehr schwer, den Wert einer Immobilie oder eines Grundstücks richtig einzuschätzen. Online-Vergleichsportale können Ihnen dabei helfen, zumindest eine ungefähre Richtlinie des Wertes zu ermitteln. Auch auf Portalen, welche den Bodenrichtwert der einzelnen Bundesländer veröffentlichen, können Sie Informationen einholen. Der Bodenrichtwert wird als Grundlage zur Besteuerung herangezogen.
Gutachten eines Sachverständigen
Kommt es zu keiner Einigkeit, sodass die Immobilie von den Pflichtteilsberechtigten und Erben selbst bewertet wird, muss ein Sachverständiger hinzugezogen werden. Dieser erstellt ein entsprechendes Gutachten. Die Kosten für einen Sachverständigen werden vom Nachlass in Abzug gebracht. Somit trägt jeder Erbe und Pflichtteilsberechtigte die Kosten eines Sachverständigengutachtens mit.
Stichtag der Wertermittlung bei Pflichtteilsanspruch
Als Stichtag für die Wertermittlung wird gemäß § 2311 Absatz 1 Satz 1 BGB der Tag, an welchem der Erbfall eintritt, angenommen. Somit ist die Gefahr, dass Sie als Pflichtteilsberechtigter einen Wertverlust nach dem Erbfall hinnehmen müssen, nicht gegeben. Auch von einer Wertsteigerung wird dadurch nicht profitiert.
Die verschiedenen Bewertungsmethoden im Erbrecht
Für die Bewertung von Immobilien gibt es beim Erbrecht unterschiedliche Methoden, wobei die gängigsten Arten in der sogenannten Immobilenwertermittlungsverordnung definiert sind. Zudem ist entscheidend, um welche Art der Immobilie es sich handelt. Ein frei stehendes, selbstgenutztes Haus wird anders bewertet als eine Eigentumswohnung oder ein Mietobjekt. Auch die Lage der Immobilie ist ein wichtiger Faktor bei der Bewertung.
Für eine Immobilie neben einer Bahntrasse werden Sie aller Wahrscheinlichkeit deutlich weniger erzielen, als für ein Einfamilienhaus am Stadtrand. Generell wird zwischen den folgenden Bewertungsmethoden unterschieden, sofern im Nachlass des Erblassers Immobilien oder Grundstücke aufgeführt sind.
Das Vergleichsverfahren
Ein Vergleichsverfahren kommt meistens dann zum Tragen, wenn es sich um Grundstücke mit gleichartigen oder sehr ähnlichen Gebäuden handelt. Ein typisches Beispiel sind Reihenhäuser, aber auch Einfamilienhäuser in einem Neubaugebiet oder eine Eigentumswohnung in einem Mehrfamilienhaus fallen häufig in diese Kategorie. Sofern die Objekte ähnliche Merkmale wie die Größe, das Baujahr, den Baustil oder etwa Lage und Zustand aufweisen, lassen sie sich für ein Vergleichswertverfahren nutzen.
In diesem Fall ist die Orientierung an einem Vergleichsobjekt auf dem Grundstücksmarkt möglich. Damit das Vergleichsverfahren angewandt werden kann, muss zwingend eine gewisse Anzahl an Vergleichsobjekten vorhanden sein.
Das Ertragswertverfahren
Das Ertragswertverfahren wird vor allem bei Miet- und Geschäftsgrundstücken genutzt. Dabei werden Erträge aus Miet- oder Pachteinnahmen berechnet. Auch der Wert von gemischt genutzten Objekten wird häufig mit dem Ertragswertverfahren ermittelt. Somit wird die Methode bei
angewandt.
Zudem müssen die folgenden Aspekte bei der Anwendung des Ertragswertverfahrens angemessen berücksichtigt werden:
Wird die Immobilie selbst genutzt, kann das Ertragswertverfahren nicht angewandt werden. In diesem Fall muss entweder das Sachwert- oder Vergleichswertverfahren in Anspruch genommen werden.
Das Sachwertverfahren
Handelt es sich bei der Berechnung des Pflichtteils um ein Einfamilienhaus, ist in der Regel das Sachwertverfahren die richtige Wahl. Vor allem, wenn kein ähnliches Objekt zum Vergleich herangezogen werden kann, muss das Sachwertverfahren gewählt werden. Beispiele sind denkmalgeschützte Gebäude, Häuser in ländlicher Gegend mit großen Grundstücken, bauliche Anlagen oder auch Anpflanzungen auf dem Grundstück.
Im Sachwert enthalten sind der Bodenwert sowie der Wert der sich auf dem Boden befindlichen Anlagen. Als bauliche Anlagen werden die Gebäude, bauliche Außenanlagen und, falls vorhanden, Betriebseinrichtungen angesehen. Gärten oder Parkanlagen fallen unter die Kategorie der sonstigen Anlagen. Sind mehrere bauliche Anlagen vorhanden, ist für jede Anlage der Wert einzeln zu ermitteln.
Der Verkehrswert
Ausschlaggebend für die Berechnung des Pflichtteilsanspruchs ist der Verkehrswert. Der Verkehrswert ergibt sich aus dementsprechend angewandten Verfahren wie etwa dem Ertragswert- oder Sachwertverfahren, welches zum Bewertungsstichtag herangezogen worden ist.
Je nach Fall sind verschiedene Zu- und Abschläge in der Berechnung für den Pflichtteil zu berücksichtigen. Kurz gesagt beantwortet der Verkehrswert die Frage, wie viel die Immobilie oder das Grundstück am Bewertungsstichtag wert ist.
Häufig wird auch von einem Marktwert, Sachwert oder Jedermannswert anstelle von Verkehrswert gesprochen. Die genaue Begrifflichkeit ist in § 194 des Baugesetzbuches (BauGB) definiert.
Ein Wertgutachten muss nicht bindend sein
Nachdem der Sachwert durch ein entsprechendes Verfahren ermittelt worden ist, bedeutet das nicht, dass Sie diesen Wert anerkennen müssen. Beide Parteien können dem ermittelten Wert widersprechen. Liegen die Vorstellungen trotz Gutachten eines Sachverständigen bei den Erben und den Pflichtteilsberechtigten zu weit auseinander, wird das Ergebnis der Wertermittlung als nicht zutreffend erachtet.
Da es in den meisten Fällen nicht zu einer Einigung in solch einer Situation kommt, endet das Verfahren in einem Rechtsstreit.
Einigung vor Gericht
Nachdem ein Rechtsstreit in die Wege geleitet wurde, wird ein Sachverständiger durch das zuständige Gericht bestimmt. Dieser muss den Wert der Immobilie neu ermitteln. Sein Wertgutachten stellt im Anschluss die Basis für die Entscheidung durch das Gericht dar und definiert somit die Höhe des Pflichtteilsanspruchs.
Außergerichtliche Einigung
Möchten Erben und Pflichtteilsberechtigte auf einen Streit vor dem Gericht verzichten, besteht die Möglichkeit für eine außergerichtliche Einigung. Dabei müssen beide Parteien gemeinsam einen Immobilienwert festlegen und sich auf diesen einigen. Die Höhe wird verbindlich in einem Vertrag festgehalten. Auf die Erstellung eines Wertgutachtens kann in diesem Fall verzichtet werden.
Das Erbe als Liquiditätsfalle
Nicht selten tritt der Fall ein, dass Erben nicht über die finanziellen Mittel verfügen, um die weiteren Pflichtteilsberechtigten auszubezahlen. Vor allem, wenn der Nachlass nur aus Immobilien besteht, kann ein Erbe Schwierigkeiten haben, das Geld für den Pflichtteil zur Verfügung zu haben. Das Erbe entpuppt sich als sogenannte Liquiditätsfalle.
Für diese Situation stehen den Erben verschiedene Optionen zur Verfügung:
Finanzierung über eine Bank
Eine Option ist die Finanzierung der Pflichtteilsansprüche über eine Bank. Diese Möglichkeit kann in Betracht gezogen werden, sofern die Immobilie nicht selbst genutzt wird. Sprechen Sie mit Ihrem Kreditinstitut und holen Sie mehrere Vergleichsangebote ein.
Generell haben Sie zwei Möglichkeiten, ein Erbschaftsdarlehen bei einer Bank zu bekommen. Sie können einen Privatkredit aufnehmen oder sich für eine Baufinanzierung entscheiden. Meistens ist eine zinsgünstigere Baufinanzierung anstelle eines teuren Privatkredits die bessere Option, um über die Summe des geforderten Pflichtteils zu verfügen.
Stundung
Generell sind Pflichtteilsansprüche sofort fällig. Handelt es sich um Immobilien, ist eine Stundung des Pflichtteils möglich. Dies ist gemäß § 2331a BGB dann möglich, wenn die direkte Auszahlung aufgrund der Nachlassgegenstände eine unbillige Härte darstellt. Vor allem in Fällen, in denen das eigene „Familienheim“ für die Auszahlung aufgegeben werden müsste, kann die Stundung beansprucht werden.
Ein Stundungsantrag muss bei dem zuständigen Nachlassgericht eingereicht werden, wobei der Erbe als Antragssteller und der Pflichtteilsberechtigte als Antragsgegner geführt wird. Das Gericht wägt ab, was welcher Partei zugemutet werden kann. Ehe Sie den Fall vor dem Nachlassgericht verhandeln, ist es sinnvoll, einen Rechtsanwalt einzuschalten, um eine außergerichtliche Stundungsvereinbarung zu erzielen.
Wie ist die Lage bei Schenkungen?
Eine Schenkung wird von Erblassern gerne dazu genutzt, um das Vermögen, welches im Nachlass vorhanden ist, zu reduzieren und so enterbte Nachkommen zu benachteiligen. Im Pflichtteilsrecht nach § 2325 BGB ist jedoch geregelt, dass solche Verminderungsstrategien nur teilweise möglich sind.
Zunächst werden auch verschenkte Objekte zum Wert des Nachlasses hinzugerechnet. Pro Jahr nach der Schenkung reduziert sich die Pflichtteilergänzung um zehn Prozent. Nach zehn Jahren ist der Wert somit abgegolten und spielt für die Höhe des Pflichtteils i.d.R. keine Rolle mehr.
Handelt es sich bei einer Schenkung um eine Immobilie mit Wohnrecht oder Nießbrauchrecht, findet keine Abschmelzung statt. Dieses Prinzip greift auch bei Schenkungen an den Ehepartner.
Leibrente: Wie sie den Pflichtteilsanspruch beeinflusst
Eine weitere Möglichkeit, enterbte Nachkommen um ihren Pflichtteilsanspruch zu bringen, ist der Verkauf des Hauses oder der Wohnung gegen eine sogenannte Leibrente. Das bedeutet, dass der Erblasser die Immobilie nicht verschenkt oder verkauft, sondern zu Lebzeiten gegen regelmäßige Zahlungen überträgt. Da es mit dem Tod des Erblassers zur Beendigung der Zahlungen kommt, wird diese Gegenleistung nicht in den Pflichtteilsergänzungsansprüchen aufgeführt.
Auch wenn ein Hausverkauf gegen eine Leibrente eine “Pflichtteilssicherheit” bietet und zugleich eine Versorgung für den Erblasser gegeben ist, sollte dieses Modell stets auf steuerliche und rechtliche Aspekte geprüft werden.
Kontaktieren Sie einen Experten für Erbrecht
Wenn es um das Thema Erbrecht und um die Berechnung des Pflichtteils geht, sollten Sie stets die Hilfe durch einen Anwalt für Erbrecht in Anspruch nehmen. Rechtsanwalt Andreas Traub steht Ihnen als kompetenter Ansprechpartner zur Seite und kann Ihnen bei der Frage helfen, ob Sie eine Erbschaft erfolgreich einfordern oder ablehnen sollten.
Auch bei der Einforderung und Auszahlung des Pflichtteils, der Aufklärung Ihrer Rechte als Erbe oder etwa bei der Anfechtung eines Testaments kann Ihnen Herr Traub als qualifizierter Experte bestmöglich helfen.