Lesen Sie hier, welche Verwandten einen Pflichtteil zugesprochen bekommen und welche Ansprüche Sie als Geschwisterteil im Erbrecht besitzen.
Wann greift der Pflichtteil?
Grob lassen sich Fragen des Erbrechts zumeist in zwei grundlegende Ausgangslagen unterteilen: Erbe mit und ohne Testament. So auch bei der Frage nach einem Pflichtteil für Geschwister.
Pflichtteil mit Testament
Hat der Erblasser zu Lebzeiten ein Testament oder einen Erbvertrag hinterlassen, so legt dieses Dokument fest, wer die Erben sind und in welchem Umfang sie beteiligt werden. Sollten nahe Angehörige des Verstorbenen in diesem letzten Willen jedoch nicht berücksichtigt werden, gibt es für sie ggf. die Möglichkeit, nach §2303 des Bürgerlichen Gesetzbuches ihren Anspruch auf den gesetzlichen Pflichtteil anzumelden und aktiv geltend zu machen.
Pflichtteil ohne Testament
Ist kein Testament vorhanden, richtet man sich bei der Verteilung des Erbes nach der gesetzlichen Erbfolge. Diese teilt die potenziell erbberechtigten Personen je nach Verwandtschaftsgrad in Ordnungen ein. Mitglieder der ersten Ordnung können stets einen Erbanspruch haben, wobei hier das Linearsystem angewandt wird.
Danach schließt jeder beim Erbfall lebende und zur Erbfolge gelangende Abkömmling als Repräsentant seiner Linie alle durch ihn mit dem Erblasser verwandten Abkömmlinge von der Erbfolge aus. Personen, die der zweiten, dritten und weiteren Ordnung angehören, können nur unter bestimmten Umständen erben.
Ein Pflichtteilsanspruch kommt dann zum Tragen, wenn der- oder diejenige Erbberechtigte durch Testament oder Erbvertrag von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen wurde. Der Pflichtteilsanspruch richtet sich weitgehend nach der gesetzlichen Erbfolge.
Daher haben die Erben erster Ordnung (Nachfahren des Erblassers) und teilweise die Erben der zweiten Ordnung (Eltern des Erblassers) einen Anspruch auf einen Pflichtteil. Anzumerken ist jedoch, dass die Pflichtteilsberechtigung und die gesetzliche Erbfolge nicht dasselbe sind.
Haben Geschwister Anspruch auf den Pflichtteil?
Grundsätzlich gilt nach §2303 BGB, dass Geschwister des Verstorbenen keinen Anspruch auf einen Pflichtteil des Erbes besitzen. Wenn das Testament des Verstorbenen vorsieht, dass seine Geschwister nicht am Erbe beteiligt sein sollen, muss man sich als Bruder oder Schwester des Erblassers wohl oder übel nach dieser Verfügung richten.
Die gesetzliche Erbfolge
Auch ohne Testament gibt es keinen allgemeingültigen Anspruch für Geschwister. In der Hierarchie der gesetzlichen Erbfolge zählen Geschwister lediglich zur zweiten Ordnung. In der ersten Ordnung befinden sich die Angehörigen, die in direkter Linie mit dem Erblasser verwandt sind, also z.B. Kinder und Enkel. Mutter und Vater des Erblassers zählen zwar genau wie Geschwister zur zweiten Ordnung, da es innerhalb dieser Ordnungen aber wiederum eine Reihenfolge der Dringlichkeit gibt, erben Eltern im Normalfall vor Geschwistern.
Eine Ausnahme von diesem Prinzip stellen Ehepartner dar, die ebenfalls zu den Angehörigen direkter Linie gezählt werden, obwohl sie keine Verwandten des Erblassers sind. Auch Ehepartner zählen also zu den Erbberechtigten erster Ordnung und somit zu den definitiv pflichtteilsberechtigten Personen.
Gesetzliche Erbfolge zusammengefasst
Folgendes legt die gesetzliche Erbfolge zusammenfassend fest: Ehepartner und Nachkommen, seien es Kinder, Enkel oder Urenkel, besitzen -unter Beachtung des Linearsystems- i.d.R. einen Anspruch auf das Erbe. Auch die Eltern und die Geschwister des Erblassers und ggf. Personen weiterer Ordnungen werden in gewissen Konstellationen automatisch am Erbe beteiligt.
Einen Pflichtteil für Geschwister gibt es hingegen nicht.
Wann Geschwister erbberechtigt sind
Der Gesetzgeber sieht bestimmte Fälle vor, in denen auch Geschwistern ein Erbteil zusteht. Dabei ist wiederum zwischen zwei Ausgangslagen zu unterscheiden.
- Fall
Der erste Fall tritt ein, wenn ein Testament besteht, in dem der Verstorbene seine Geschwister bedenkt. Solange die Geschwister des Erblassers dort ausdrücklich als Erben eingesetzt sind, besitzen sie einen eindeutigen und kaum zu widerlegenden Anspruch.
- Fall
Der zweite Fall bezieht sich auf die Abwesenheit eines Testaments. Wenn ein solcher Wille nicht vorliegt und dementsprechend die gesetzliche Erbfolge greift, können Geschwister trotz ihrer Position in der zweiten Ordnung erbberechtigt sein. Dies ist nämlich dann der Fall, wenn keine Erben der ersten Ordnung existieren.
Sollte der Erblasser also weder Ehepartner noch Nachkommen haben und andere Berechtigte der zweiten Ordnung, namentlich die Eltern des Erblassers, bereits verstorben sein, geht das Erbrecht per Gesetz an die Geschwister weiter und sie werden Erben, da sie in diesem Fall die nächsten Angehörigen des Erblassers darstellen.
Geschwister erben, wenn Elternteil stirbt
Es gibt eine weitere Möglichkeit für einen Geschwisterteil des Erblassers, am Erbe beteiligt zu werden, wenn nämlich keine Erbberechtigten der ersten Ordnung vorhanden sind und eines der beiden Elternteile stirbt.
Die beiden Eltern des Erblassers werden nicht als Einheit betrachtet, sondern als zwei Personen, die jeweils fünfzig Prozent erben, sofern keine nähere Verwandtschaft vorhanden ist. Ist ein Elternteil bereits verstorben, bleibt der Anspruch des überlebenden Elternteils weiterhin bei fünfzig Prozent.
In diesem Fall rücken die Geschwister in der Erbfolge anteilig auf und besitzen nun einen Anspruch auf den Erbteil, der ansonsten dem verstorbenen Elternteil zugestanden hätte. Einem Geschwisterteil würden in diesem Fall fünfzig Prozent des Erbes zustehen, während die andere Hälfte an das noch lebende Elternteil gehen würde.
Sind jedoch mehrere Geschwister vorhanden, verkleinert sich der Anteil für jeden von ihnen prozentual, zwei Geschwister würden also jeweils ein Viertel des Erbes erhalten, für vier gäbe es ein Achtel und so weiter. Unverrückbar ist hingegen die Tatsache, dass dem lebenden Elternteil immer die Hälfte des Erbes zusteht.
Beispiel
Der Erblasser ist kinderlos und unverheiratet, er verstirbt überraschend und ohne ein Testament zu hinterlassen. Jetzt greift die gesetzliche Erbfolge, aber Erben der ersten Ordnung gibt es nicht, der Erblasser hat nie geheiratet oder Kinder gezeugt, weder Ehegatte noch Abkömmlinge sind vorhanden.
Die nächsten Verwandten mit Anspruch auf einen Pflichtteil sind daher die Eltern des Erblassers, von denen jedoch nur noch ein Teil am Leben ist. Während die Mutter des Verstorbenen noch lebt und daher mit einem Pflichtteil des Erbes bedacht wird, ist der Vater bereits verstorben.
An dieser Stelle kommen nun die Geschwister des Erblassers ins Spiel, die in der Erbfolge aufrücken und dort den Platz des verstorbenen Vaters einnehmen. Der Verstorbene hatte einen Bruder und eine Schwester. Hätten beide Eltern des Erblassers noch gelebt, hätten Mutter und Vater in Ermangelung näherer Verwandter hundert Prozent geerbt.
Da mit der Mutter jedoch nur noch ein Elternteil am Leben ist, gehen in diesem Fall fünfzig Prozent an die Mutter des Erblassers, während die übrigen fünfzig Prozent zu gleichen Teilen unter den beiden Geschwistern aufgeteilt werden: Fünfundzwanzig Prozent für den Bruder und fünfundzwanzig Prozent für die Schwester.
Lösen Sie sich von zusätzlichem Stress
Fragen rund um das Erbe schwören in einer Zeit der Trauer oft zusätzlichen Stress herauf. Wenn Sie sich in einer Lage befinden, in der Unklarheit bei Fragen der Erbreihenfolge herrscht, empfiehlt es sich stets, einen Anwalt für Erbrecht zu kontaktieren. Neben den genannten Beispielen können in einem Erbfall viele weitere Spezialfälle eintreten und die Situation äußerst unübersichtlich machen. Um in diesen Einzelheiten den Überblick zu behalten, sollte man sich an einen Experten wenden.
Mit Rechtsanwalt Traub Unklarheiten klären und sicher erben
Rechtsanwalt Andreas Traub kann Fragen von Pflichtteilsanspruch oder Mindestbeteiligung für Sie klären, Ihnen übersichtlich erklären, wie die gesetzliche Erbfolge aussieht und wo genau Sie sich darin befinden. Durch einen Anwalt erfahren Sie, wie Ihre Chancen stehen, am Erbe beteiligt zu werden und in welcher Höhe, selbst wenn Sie im Testament übergangen worden sind.
Ein geschulter Rechtsbeistand kann außerdem dabei helfen, die Ansprüche auf den Pflichtteil geltend zu machen. Darüber hinaus kann es hilfreich sein, sich mit der Frage nach dem eigenen Testament an einen Anwalt zu wenden, um zu klären, welche Möglichkeiten es gibt, beispielsweise Alleinerben einzusetzen, bestimmte Personen zu enterben oder das Erbe anderer zu sichern. Für einen zukünftigen Erblasser ist anwaltlicher Rat unverzichtbar, wenn die geliebten Menschen erhalten sollen, was ihnen zusteht.