Pflichtteilsergänzungsanspruch umgehen: Darauf sollten Sie achten

von Andreas Traub

Oktober 20, 2022


Durch das Pflichtteilsrecht wird die Testierfreiheit im Erbrecht praktisch eingeschränkt. Eine Umgehung bzw. eine Beschränkung dieses Rechtes ist nur unter bestimmten engen Voraussetzungen möglich.

Pflichtteilsberechtigte Angehörige wie Ehegatten oder Kinder können zwar durch ein Testament vom Erbe ausgeschlossen werden, durch den Pflichtteilsanspruch bleiben sie allerdings am Nachlass beteiligt.

Nachfolgend erklären wir Ihnen, was Sie über das komplexe Thema Pflichtteilsergänzungsberechtigung, künftige Erblasser und die Umgehung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs wissen sollten.

Was bedeutet ein Pflichtteilsergänzungsanspruch?

Mit dem Pflichtteilsergänzungsanspruch soll sichergestellt werden, dass alle Pflichtteilsberechtigten des Erblassers einen Teil des Nachlasses erhalten. Er schützt sozusagen die pflichtteilsberechtigten Erben. Und zwar auch zum Teil dann, wenn der Verstorbene sein Vermögen durch eine Schenkung zu Lebzeiten bereits an Dritte verteilt hat.

Schenkungen

Der Erblasser hat die Möglichkeit, dafür zu sorgen, dass er am Tag seines Todes über ein möglichst geringes Vermögen verfügt. Eine Option hierfür bieten Schenkungen. Er überträgt Grundvermögen oder Geldbeträge ohne Gegenleistungen an einen Begünstigten. Theoretisch könnte der Erblasser also sein komplettes Vermögen zu Lebzeiten verschenken, sodass die Pflichtteilsberechtigten am Todestag auf keinen Pflichtanteil mehr zugreifen können.

Genau dieses Vorgehen wird mit dem Pflichtteilsergänzungsanspruch jedoch berücksichtigt. Dieser Anspruch regelt, dass auch zu Lebzeiten getätigte Schenkungen bei der Berechnung des Pflichtteils ggf. berücksichtigt werden müssen.

Die 10 Jahres Frist

Ergänzungspflichtig bei einem Pflichtteil sind nur Schenkungen, die der Erblasser in den vergangenen 10 Jahren getätigt hat. Eine Schenkung, die länger zurückliegt, bleibt unberücksichtigt. Außerdem greift ein sogenanntes Abschmelzungsmodell, wonach mit jedem Jahr seit der Schenkung 10 Prozent des Wertes nicht mehr berücksichtigt werden.

Ausnahmen

Ausnahmen bei einer Schenkung bilden Pflicht- oder Anstandsschenkungen. Das können Geschenke zum bestandenen Schulabschluss, zur Hochzeit oder einem anderen besonderen Anlass sein. Auch eine Übertragung von beispielsweise einem Haus an eine langjährige Pflegekraft fällt unter diese Sonderregelung.

Die drei unterschiedlichen Pflichtteilsarten

Das deutsche Erbrecht unterscheidet zwischen den folgenden drei unterschiedlichen Pflichtteils- Varianten:

Das ordentliche Pflichtrecht

Anspruch auf ein ordentliches Pflichtrecht haben alle Pflichtteilsberechtigten, die vom Erblasser enterbt wurden.

Der Zusatzpflichtteil

Der Zusatzpflichtteil, auch als Restpflichtteil bezeichnet, kommt dann zum Tragen, sobald der Erbteil des Pflichtteilsberechtigten die Hälfte des vom Gesetzgeber vorgeschriebenen Erbteils unterschreitet.


Erben haben in diesem Fall das Recht, den Differenzwert zwischen dem Erbteil und dem Pflichtteilswert einzufordern (§ 2326 BGB).

Der Ergänzungspflichtteil

Ein Anspruch auf einen Ergänzungspflichtteil haben alle Pflichtteilsberechtigten, sobald der Verstorbene in den letzten 10 Jahren vor seinem Tod eine Schenkung durchgeführt hat (§ 2325 BGB).

Wer hat Anspruch auf einen Ergänzungsanteil?

Anspruch auf eine Pflichtteilsergänzung haben die sogenannten Pflichtteilsberechtigten. Zu den Pflichtteilsberechtigten gehören gemäß § 2303 BGB sogenannte Abkömmlinge. Einfacher ausgedrückt handelt es sich hierbei um Kinder, Enkel, Ehegatten und um die Eltern des Erblassers. Für den Fall, dass der Erblasser jemanden aus diesem Personenkreis enterbt hat, steht ihnen generell ein Pflichtteil zu.

Weitere Voraussetzungen

Um Anspruch auf einen Ergänzungsanteil zu haben, müssen die Berechtigten vom Erbe ausgeschlossen worden sein. Alternativ muss ein Anspruch auf ein Zusatzpflichtanteil vorhanden sein. Das ist dann der Fall, wenn die Erbquote die Hälfte des gesetzlichen Erbteils unterschreitet.

Optionen, um den Pflichtteilsergänzungsanspruch zu umgehen oder zu reduzieren

Trotz zahlreicher Regelungen im Erbgesetz gibt es Möglichkeiten, den Pflichtteilsergänzungsanspruch zu umgehen oder ihn zumindest zu senken.

  • Frühzeitige Schenkungen:
    Schenkungen, die länger als zehn Jahre zurückliegen, werden i.d.R. nicht mehr berücksichtigt. Bei jüngeren Schenkungen wirkt das Abschmelzungsmodell.
  • Eigengeschenke:
    Eigengeschenke, die der Pflichtteilsberechtigte zu Lebzeiten erhalten hat, werden bei der Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs in Abzug gebracht. Sie werden zu dem Nachlass hinzugerechnet und auf den Ergänzungsanspruch, nicht auf den ordentlichen Pflichtteil, angerechnet. (§ 2327 BGB)
  • Wirksamer Entzug des Pflichtteils:
    Ein Entzug des Pflichtteils ist nur dann möglich, wenn niedergelegte Gründe vorliegen, (§ 2333 BGB) etwa, wenn der Erbe dem Verstorbenen nach dem Leben getrachtet hat.
  • Keine Anordnung zur Pflichtteilsanrechnung:
    Existiert keine Anordnung zur Pflichtteilsanrechnung, muss der Wert auf den Pflichtteilsergänzungsanspruch angerechnet werden.
  • Heirat des Partners:
    Dem Ehegatten stehen bei einer Zugewinngemeinschaft prinzipiell 50 Prozent des gesetzlichen Erbteils zu. Entsprechend mindert sich der Betrag der restlichen Erben.
  • Adoption:
    Eheleute, die ein Kind adoptiert haben, beispielsweise das Kind des Partners aus zweiter Ehe, können den anrechnungsfähigen Anteil durch die Adoption vermindern. Das adoptierte Kind zählt zu den gesetzlichen Erben, wodurch die Pflichtteilsquote der anderen Kinder verringert wird.
  • Wahl des ehelichen Güterstands:
    Der eheliche Güterstand spielt bei verheirateten Partnern eine wichtige Rolle. Entscheidend ist, ob eine Zugewinngemeinschaft, eine Gütertrennung oder eine Gütergemeinschaft existiert. Ein Ausgleichsanspruch wie etwa bei einem Zugewinnausgleich stellt keine Schenkung dar.
  • Ausstattung durch die Eltern:
    Eine weitere Option zur Reduzierung der Pflichtteilsansprüche sind Ausstattungen. Darunter fallen Zuwendungen der Eltern an die Kinder, wie etwa eine finanzielle Unterstützung zum Aufbau eines Gewerbes oder die Aussteuer der Hochzeit.
  • Gegenleistungen an die Vermögensübertragung:
    Sie können an die Vermögensübertragung bestimmte Gegenleistungen knüpfen, die zu einer Minderung der Pflichtteilsansprüche führen können. Folgende Vereinbarungen im Zusammenhang mit der Vermögensübertragung sind möglich:
    • die Rückfallklausel

    • ein Wohnrechtsvorbehalt (Nießbrauchsvorbehalt)

    • definierte Ausgleichspflichten

    • die Vereinbarung von Rentenzahlungen

    • die Einforderung einer Pflegeverpflichtung

    • Verfügungsbeschränkungen

    • eine Pflichtteilsanrechnungsklausel gemäß § 2315 BGB

  • Immobilienverkauf gegen Leibrente:
    Gemäß § 759 BGB stellt die Leibrente keine Schenkung dar und wird somit nicht auf den Ergänzungsanteil angerechnet. Indem Sie Ihr Haus verkaufen und der Käufer den Preis nicht in voller Summe, sondern in wiederkehrenden Zahlungen in Form der Leibrente tätigt, können Sie die Höhe des Pflichtteils schmälern. Außerdem haben Sie mit der Leibrente die Option, für einen bestimmten Zeitraum oder lebenslang in dem verkauften Haus wohnen zu bleiben.
  • Unentgeltliche Immobilien-Überlassung an Angehörige:
    Eine unentgeltliche Überlassung einer Immobilie an Angehörige wird nicht als Schenkung, sondern als Leihgabe betrachtet.
  • Verlagerung von Vermögen ins Ausland:
    Die Vermögensverlagerung ins Ausland ist eine weitere Möglichkeit, den Pflichtteil zu umgehen. Wird ein Haus im Ausland gekauft, schmälert das die Berechnungsgrundlage. Allerdings ist das nicht in allen Ländern der Fall. Entscheidend ist das Erbrecht des jeweiligen Landes.

Wichtige Ausnahmen bei der Verjährung

Im Zusammenhang mit Pflichtteilsansprüchen gibt es einige Sonderregelungen und Ausnahmen zu berücksichtigen, welche einen Einfluss auf die Verjährung haben:

Das Abschmelzungsmodell für Schenkungen zu Lebzeiten

Je länger eine Schenkung zurückliegt, umso niedriger ist der Prozentsatz, der bei einem Pflichtteilsanspruch berücksichtigt werden muss. Der Ergänzungsanspruch verringert sich mit jedem Jahr, das bis zum Erbfall vergeht. In der folgenden Auflistung können Sie sich einen guten Überblick über die Staffelung verschaffen:

  • Schenkung 1 Jahr vor dem Erbfall: 100 %
  • Schenkung 2 Jahre vor dem Erbfall: 90 %
  • Schenkung 3 Jahre vor dem Erbfall: 80 %
  • Schenkung 4 Jahre vor dem Erbfall: 70 %
  • Schenkung 5 Jahre vor dem Erbfall: 60 %
  • Schenkung 6 Jahre vor dem Erbfall: 50 %
  • Schenkung 7 Jahre vor dem Erbfall: 40 %
  • Schenkung 8 Jahre vor dem Erbfall: 30 %
  • Schenkung 9 Jahre vor dem Erbfall: 20 %
  • Schenkung 10 Jahre vor dem Erbfall: 10 %

Wann verjährt der Pflichtteilsergänzungsanspruch?

Wenn Sie einen Pflichtteilsergänzungsanspruch geltend machen möchten, müssen Sie einige Fristen beachten. Im BGB ist festgelegt, dass der Anspruch drei Jahre nach der Kenntnisnahme der vorgenommenen Schenkung beginnt. Die Frist startet zum Jahresende.

In Fällen, in denen ein Pflichtteilsberechtigter erst lange nach dem Tod des Erblassers von einer Schenkung und somit auch von seinem Ergänzungsanspruch erfährt, wird eine Verjährungsfrist von 30 Jahren durch den Gesetzgeber vorgesehen.

Ein Beispiel:

Der Erblasser verstarb am 02.05.2019. Am selben Tag erfahren die Pflichtteilsberechtigten von einer Schenkung zu Lebzeiten des Verstorbenen. Somit beginnt die Verjährungsfrist am 31.12.2019 und endet am 31.12.2022.

Die Sonderstellung bei Eheleuten

Bei einem Pflichtteilsergänzungsanspruch haben Ehegatten eine Sonderstellung. Bei einem Ehepartner greift die 10 Jahres-Begrenzung bei Schenkungen nicht. Stattdessen werden alle Schenkungen berücksichtigt, die während der gemeinsamen Ehe getätigt wurden.

Als erfahrener Erbrecht-Anwalt kenne ich alle rechtlichen Mittel

Als erfahrener Anwalt kenne ich alle rechtlich möglichen Tipps und Tricks im Erbrecht. Dank meiner jahrelangen Expertise kann ich Sie bestens beraten. Ich kann Ihnen aufzeigen, mit welchen Pflichtteilsansprüchen Sie rechnen müssen und wie diese gemindert oder gar umgangen werden können.

Vereinbaren Sie am besten einen Erstberatungstermin. Gemeinsam finden wir den besten Weg, um das Erbe in Ihrem Sinne zu regeln.

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