Erbfolge ohne Testament – wir erklären Ihnen die gesetzlichen Regelungen

von Andreas Traub

September 20, 2022


Nicht immer ist im Todesfall ein Testament des Verstorbenen vorhanden. Viele Menschen befassen sich zu Lebzeiten nicht damit, wie nach ihrem Tod das Vermögen aufgeteilt werden soll. Sofern kein Testament existiert, regelt die gesetzliche Erbfolge, wer welchen Anteil erbt. Ausschlaggebend ist in diesem Fall das Verwandtschaftsverhältnis zum Verstorbenen.

Wie die genaue Regelung aussieht und auf welche Besonderheiten es zu achten gilt, erfahren Sie hier.

So wird die gesetzliche Erbfolge ohne Testament geregelt

Laut deutschem Erbrecht ist es nicht erforderlich, zwingend ein Testament zu verfassen. Viele Erblasser haben zu Lebzeiten kein Schreiben aufgesetzt, welches die Aufteilung des Vermögens regelt. In diesen Fällen gilt die gesetzliche Erbfolge.

Das bedeutet, dass die Verwandten des Verstorbenen je nach Grad der Verwandtschaft erben. Die engsten Verwandten werden in diesem Fall zuerst begünstigt. Genaue Vorschriften, wie das Erbe ohne Testament verteilt wird, sind im Bürgerlichen Gesetzbuch §1922 ff. geregelt.

Das Ordnungssystem der Erbfolge

Die Erbfolge bei einem Erbe ohne Testament ist nach einem Ordnungssystem gegliedert. Je näher ein Verwandtschaftsgrad ist, umso höher ist der Rang im System der Erbfolge.

In der Regel ist das Ordnungssystem in drei Stufen unterteilt. Es werden immer die am höchsten angesiedelten Verwandten bedacht. Sofern diese noch leben, werden Verwandte der nächst niedrigeren Stufe vom Erbe ausgeschlossen.

Die Erben der ersten Ordnung

Zu den Erben der ersten Ordnung (§ 1924 BGB) gehören die Ehepartner und die direkten Nachkommen des Verstorbenen. Dazu zählen die Kinder, welche als Abkömmlinge des Erblassers bezeichnet werden. Für den Fall, dass die Kinder bereits verstorben sind, rücken Enkel oder, sofern auch diese schon verstorben sind, die Urenkel nach.

Erbrecht bei adoptierten Kindern

Adoptivkinder werden genauso behandelt wie eigene Kinder und zählen zu den Erben erster Ordnung. Anders verhält es sich bei Stiefkindern. Diese werden nicht als Erben erster Ordnung anerkannt.

Erben der zweiten Ordnung

Als Erben zweiter Ordnung (§ 1925 BGB) werden Eltern und die Abkömmlinge der Eltern bezeichnet. Das können je nach Familienkonstellation Geschwister, Nichten, Neffen sowie Großnichten und -neffen sein. Sofern die Eltern des Verstorbenen noch leben, erben nur diese, die weiteren Nachkommen nicht.

Das System der zweiten Ordnung tritt ein, wenn keine lebenden Kinder und Enkelkinder oder ein Ehepartner vorhanden sind. Das Erbe wird zwischen beiden Elternteilen je zur Hälfte aufgeteilt.

Erben der dritten und weiteren Ordnungen

Zu den Erben der dritten Ordnung gehören die Großeltern sowie deren Nachkommen. Genauer gesagt umfasst diese Gruppe der Erben Tanten, Onkel, Cousinen und Cousins. Wie bei den Erben der zweiten Ordnung gilt auch hier: Leben die Großeltern, erben die nachfolgenden Verwandten nicht.

Laut Erbgesetz gibt es auch noch ein Erbgesetz der vierten und fünften Ordnungen, in welchem die Urgroßeltern beziehungsweise die Ur-Urgroßeltern des Erblassers und deren Nachkommen bedacht werden. Diese Fälle treten jedoch sehr selten ein.

Das Repräsentationsprinzip bei einem Erbfall ohne Testament

Das Repräsentationsprinzip regelt die Erbberechtigung innerhalb des Ordnungssystems. Ein Repräsentant innerhalb einer Ordnung schließt die anderen möglichen Erben aus. Im Detail bedeutet das:

Als nächste Verwandte erben zuerst die Ehepartner und die Kinder. War der Verstorbene nicht verheiratet, werden nur die Kinder bedacht. Ist ein Kind bereits ebenfalls schon verstorben, sind dessen Kinder, also die Enkel des Erblassers, erbberechtigt.

Das Repräsentationsprinzip bei einem Erbfall ohne Testament

War der Erblasser nicht verheiratet und hatte er auch keine Kinder, sind die Eltern die nächsten Erben. Sind diese bereits verstorben, erben die Geschwister des Toten. Für den Fall, dass auch diese nicht mehr leben, stehen Nichten und Neffen an nächster Stelle. Das Prinzip erstreckt sich in gleichem Maße über Großeltern, Tanten, Onkel, Cousinen und Cousins bis hin zu eventuellen Großtanten und -onkeln.

Die Reihenfolge des Repräsentationsprinzips

  • Ehepartner und Kinder/Enkelkinder
  • Eltern des Verstorbenen
  • Geschwister
  • Nichten und Neffen
  • Großeltern
  • Tanten und Onkel
  • Cousinen und Cousins
  • Großonkel und -tanten

Sie sind Erbe? Folgende Schritte sind nun zu berücksichtigen

Ist kein Testament vorhanden, kann sich die Erbengemeinschaft an das zuständige Nachlassgericht wenden. Das Nachlassgericht ist Teil des Amtsgerichts. Das Nachlassgericht stellt auf Antrag einen Erbschein aus.

Eine gesetzliche Annahmeerklärung müssen Sie im Erbfall nicht unterzeichnen. Das Erbe gilt automatisch als angenommen, wenn Sie sich als Erbe schlüssig verhalten und innerhalb von sechs Wochen das Erbe nicht ausschlagen.

Ein Beispiel für die gesetzliche Erbfolge bei Ehepartnern

Bei einer Erbfolge ohne Testament steht dem Ehepartner eine Sonderrolle zu. Er erbt immer etwas, unabhängig, ob es noch weitere Erben gibt oder nicht.

Stirbt beispielsweise der Ehemann und hinterlässt eine Frau, mit welcher er in einer Zugewinngemeinschaft gelebt hat, und zwei Kinder, erbt die Witwe die Hälfte des Nachlasses. Die zweite Hälfte wird zu gleichen Teilen unter den Kindern aufgeteilt.

Wer hat Anrecht auf den Hausrat?

Der Hausrat geht, ebenso wie Hochzeitsgeschenke oder Gegenstände aus der gemeinsamen Wohnung, an den Ehepartner über. Sind allerdings Kinder vorhanden, so haben diese ohne Testament nur das Recht auf die sogenannten notwendigen Dinge des Bedarfs. Das kann ggf. ein Auto sein, nicht jedoch Luxusgegenstände.

Was bedeutet die Gütertrennung im Erbfall?

Bei einer vereinbarten Gütergemeinschaft steht dem Ehepartner die Hälfte des vorhandenen Nachlasses zu. Die zweite Hälfte fällt den Kindern oder, falls keine Kinder vorhanden sind, den Eltern zu.

Doch wie sieht es bei einer Gütertrennung aus? Entscheidend ist, ob der Erblasser Kinder hinterlassen hat. Bei einem lebenden Kind wird das Erbe zwischen dem Kind und dem Ehepartner zur Hälfte geteilt. Bei zwei lebenden Kindern erben die Kinder und der Partner je ein Drittel. Für den Fall, dass es drei oder mehr Kinder gibt, erhält der Ehepartner ein Viertel des Erbes, der Rest wird gleichermaßen unter den Kindern aufgeteilt.

Sofern nur Verwandte der zweiten Ordnung vorhanden sind, erhält der Ehepartner die Hälfte des Vermögens. Sollten weder Kinder, noch Großeltern oder weitere Verwandte zweiter Ordnung da sein, gilt der verbleibende Ehepartner als Alleinerbe gemäß § 1931 Absatz 2 BGB.

Mögliche Nachteile einer Gütertrennung

Die Gütertrennung ist im Hinblick auf die Erbschaftsteuer ungünstiger als die Zugewinngemeinschaft. Der Zugewinn im Falle des Todes unterliegt nämlich nicht der Erbschaftsteuer. Bei größeren Nachlässen, bei welchen der Freibetrag des Ehegatten von 500.000 € nicht ausreicht, wird die Gütertrennung im Erbfall i.d.R. zur Steuerfalle.

Was geschieht, wenn das Erbe ausgeschlagen wird?

Ein Erbe muss nicht zwingend aus einem Vermögen bestehen. Auch Schulden, die der Erblasser angehäuft hat, können vererbt werden. Falls mögliche Erben unsicher sind, ob es sich bei dem Erbe um Schulden handelt oder nicht, gilt eine Frist von sechs Wochen, um sich zu informieren und sich ein Bild über die Sachlage zu verschaffen.

Bei Unsicherheit oder der Gewissheit, dass es sich um Schulden handelt, ist es möglich, das Erbe gemäß § 1942 Absatz 1 BGB auszuschlagen. Das Erbe muss zwingend aktiv ausgeschlagen werden. Ist das nicht der Fall, gilt das Erbe nach einem Zeitraum von sechs Wochen automatisch als angenommen.

Wenn Sie das Erbe ausschlagen, rückt der Nächste in der Erbfolge nach. Es greift die gleiche gesetzliche Erbfolge, die in Kraft treten würde, wenn der Erbberechtigte bereits ebenfalls verstorben ist.

Mögliche Gegebenheiten, bei denen ein Erbe ausgeschlagen werden sollte:

  • Hohe Schulden des Verstorbenen
  • Privatinsolvenz
  • sanierungsbedürftige Immobilien
  • persönliche Gründe

In diesen Fällen erbt der Staat

Ist kein Testament vorhanden, tritt das Linienprinzip der einzelnen Rangfolgen in Kraft. Dieses kann in so viele Stufen hinunter gebrochen werden, bis keine lebenden Angehörigen mehr auszumachen sind.

Erst, wenn kein lebender Nachfahre oder Verwandter übrig bleibt, erbt der Staat. Sind Schulden vorhanden, haftet der Staat ausschließlich im Umfang des Vermögens, aber nicht darüber hinaus.

Wird der Staat zum Erbe, fällt das Vermögen dem Bundesland zu, in welchem der Verstorbene den letzten Wohnsitz gemeldet hatte. Hat der Verstorbene zuletzt im Ausland gelebt, erbt das Bundesland, in welchem sich der letzte Wohnsitz in Deutschland befand.

Warum es sich lohnt, einen Anwalt zu kontaktieren

Um den Nachlass zu regeln, muss nicht zwingend ein Testament oder Erbvertrag aufgesetzt werden. Dennoch ist es ratsam, einen Anwalt zu kontaktieren. Denn auch der Erbfall ohne Testament kann einige Fragen aufwerfen. Vor allem, wenn es um die Verteilung des Vermögens bei mehreren gleichberechtigten Erben geht oder die Rechtslage unklar ist, sollten Sie Rechtsanwalt Traub kontaktieren. Auch in den folgenden Fällen kann ein Anwalt Sie bestens beraten:

  • Die gesetzliche Erbfolge: Sollte Ihnen nicht klar sein, wie die gesetzliche Erbfolge ohne Testament geregelt ist oder wie beispielsweise die Regelung bei Adoptivkindern oder als Ehepartner aussieht, kann Ihnen ein Anwalt helfen.
  • Abwicklung des Erbes: Ein Anwalt klärt nicht nur rechtliche Fragen fragen, sondern hilft Ihnen auch bei den einzelnen Prozessen der Abwicklung.

Nehmen Sie Kontakt mit unserer Kanzlei auf

Sie gehören zu den Hinterbliebenen eines Verstorbenen ohne Testament? Wir helfen Ihnen, nun alle nötigen Schritte in die Wege zu leiten und beraten Sie, welcher Anspruch des Erbes Ihnen zusteht.

Zögern Sie nicht und nehmen Sie Kontakt mit unserer Kanzlei auf. Gerne können wir einen ersten Beratungstermin vereinbaren, in welchem wir die möglichen weiteren Vorgehensweisen besprechen.

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